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Two Turntables and a Webdesign

Als Sound braucht man einen Designer, einen BWLer und ja, einen DJ.

In den goldenen 90ern waren DJs unantastbare Halbgötter mit nahezu geheimen Fähigkeiten und sensiblem elektronischem Equipment. Und wer sich damals zwei Technics 1210 und einen Vestax Battlemischer leisten konnte, verbrachte seine Nachmittage damit, seine sorgsam zusammengestellte Plattensammlung ein fürs andere Mal ineinander zu Mischen und die feinsten Flare-, Baby-, Transformer-, oder Crab-Scratches bis zur Verzweiflung hin zu perfektionieren. Dann kam das Internet.

Zunächst wurde das Internet dazu genutzt, Schallplatten aus fernen Ländern oder fernen Plattenläden zu bestellen. Online-Shops boomten, CD-Player waren unter real-DJs verpönt und es wurde der neuen Lust am Vinyl nur so gefrönt. Die ersten freshen Typen, heute meist an der 40 knabbernde Spießbürger mit „cooler“ Vergangenheit, bauten erste Internetseiten zur Vernetzung undergroundiger Musikrichtungen wie Drum’n’Bass, Jungle, Ragga, HipHop oder Elektro. Ein DJ-Mix wurde analog gemischt, digital aufgenommen und dann zumeist auf CD gebrannt und verteilt.

Der nächste Two-Step der Digitalisierung war dann das Aufkommen von Myspace. Mit der Flut der gleichgeschalteten Internetseiten war auf einmal jeder ein DJ, zumindest hatte jeder eine Plattform mit 40 000 Freunden und Kontakten. Da wurde es zum ersten Mal entscheidend, dass man sich neben der eigentlichen musikalischen Arbeit überlegt, wie man sein kleines Profilbild möglichst stylish und gewitzt gestaltet um in dem Meer an 2,5 x 4 cm großen Existenzen aufzufallen.

Es gab Sounds und DJs, die sich mehr damit beschäftigten, Logos, Symbole, Profilbilder und Pressepics von sich zu erstellen, als tatsächlich aufzulegen. Nachmittags, bei sich zu hause. Wenn diese Sounds mit ausgearbeiteter CI dann wirklich mal in einem Club auflegten, war das dann meist nicht nur finanziell umsonst. Aber das Foto hinter dem DJ-Pult war im Kasten.

Natürlich hält so ein Enthusiasmus nur eine gewisse Zeit, meistens bis kurz vor den Abschlussprüfungen und dann wird das Musikgeschäft wie ein altes T-Shirt abgelegt, es hat ja seine Dienste zur Selbstdarstellung geleistet.

Mit den neuen technischen Möglichkeiten ist das Mischen teilweise einfacher geworden, teilweise aber noch verzwickter, da man jetzt einem unbegrenzten Fundus an Musik ausgesetzt ist, den man erst Mal in ein sinnvolles Set packen muss. Und Puristen vertreten immer noch die richtige Meinung: Als DJ musst du gut auflegen, dann brauchst du nicht einmal einen Flyer. Wenn deine Party gut ist, werden die Leute wieder kommen und andere Leute mitbringen.

Das stimmt. Dennoch kann es der Sache etwas Schwung verleihen, wenn man einen Flyer hat, der gut aussieht. Mit einem Logo drauf, das man wieder erkennt. Und ´ner Internet-Seite. Mit T-Shirts und Aufklebern. `Ner Mix-CD. Und schon sind wir mitten drin im Geschäft einer Media-Agentur.

Und da DJs ja schon etwas können und ein Steckenpferd haben* – nämlich die Musik – brauchen sie Designer und Grafiker, die ihrer auditiven – zu hörenden – Arbeit ein visuelles Antlitz verleihen, damit sie in unserer Diktatur der Glotz-fixierten Sensationen überhaupt bestehen können.

Dazu kommt noch eine weiterer fieser Absatz Kleingedrucktes: Du bist ein kreativer Mensch und hattest nie Bock auf BWL, VWL und Jura. Jetzt verdienst du deine Ration an DJ-Einnahmen und im Handumdrehen sitzt du nicht am Pool mit kühlen Drinks sondern am Schreibtisch zwischen Steuererklärungen, Steuervorrauszahlungen, Versicherungen und Rechnungsbelegen. Und du weißt, dass du keine Ahnung von Steuerkniffen hast und haarscharf am Knast vorbeischrammend wahrscheinlich gerade viel Geld verlierst. Das Schicksal steckt den kleinen Finger an den Mundwinkel und lacht voll Hohn: „Muahahahahaha“.

Es reicht also theoretisch, gut aufzulegen, denn dafür wird ein DJ gebucht, der Webdesigner kann das Foto im Netz gut aussehen lassen, aber er kann die Crowd nicht rocken. Praktisch wird einem DJ aber das Design wirklich abverlangt, es öffnet Türen. Die Leute müssen etwas sehen, damit sie überhaupt erst zuhören. Einziger Trost: Wenn der DJ dann auf der Party aber floppt, wird er in Zukunft mangels Bookings allerdings immer weniger Flyer machen müssen. Die Realität gewinnt am Ende eben doch.

Dennoch würde ich sehr gerne von dem DJ im Selbstversuch hören, der auf Web und Design pfeift und einfach nur gut auflegt und so seine Parties und Reputation wachsen lässt. Mein Respekt wäre groß!

*Ich konnte ein Gespräch in einem Backstage-Raum nicht überhören: DJ redet mit Mädel. Mädel fragt: „Und was machst du sonst so?“ „Ich bin DJ“ „Ja, so neben der Musik“ „Nichts, ich mach schon Musik nebenher, brauch’ ich jetzt noch ein Hobby von meinem Hobby?“

 

text by The Meinung at Jugglerz.de

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