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Reggae 2012 – Cream of the crop.

Reggaemusik trotzt den Prognosen und ist so gut wie selten zuvor.

Lange haben sie genörgelt, die freischaffenden Redakteure vor ihren PCs, die Reggaemusiker mit schlecht-besuchten Touren in Hotelzimmer-Interviews und die abdankende Generation der Party-Besucher in ihren End-Zwanzigern: „Reggae ist nicht mehr das, was es mal war, die Digitalisierung macht die Musik kaputt, die Texte sind seicht wie das Wattenmeer und überhaupt ist heute alles viel schlechter als noch vor wenigen Jahren.“ Dazu kamen sinkende Verkaufszahlen, Labels und Vertriebe mussten dicht machen und seit Kartel Ninjaman beim Sting 2003 auf der Bühne geboxt hat, war es um die wahren Reggae-Vibes sowieso geschehen. Zum Glück haben sich das nicht alle einreden lassen.

Zugegeben, es gab Auf-und-Abs – und immer wieder neu erreichte musikalische Tiefpunkte. Da keine Platten mehr gekauft werden, gibt es auch keine B-Seiten Tunes mehr. Das bedeutet, es zählt nur noch der Hit. Zudem ist die Musik durch den globalen Mash-Up noch viel stärker in Konkurrenz mit anderen Genres und neuen Mischformen getreten. Und wo früher der Freak und Nerd ihr persönliches Jamaika entdeckten und Reggae Musik ihr Eigen nannte, das sich jedem Kommerz abwandte, wollen die Kids von heute sich nicht mehr hinter einem Trend verstecken – Subkultur muss cool und präsentierbar sein, denn sonst klicken die Mädels einfach auf ein anderes Facebook-Profil. All das führt dazu, dass die Schraube des Erfolges noch enger gedreht wird: Survival of the fittest im Musikgeschäft. Nicht jeder wird gekauft, nicht jeder wird gespielt, nicht jeder geht auf Tour, nicht jeder wird ge-liked.

Weniger Geld fließt durch mehr Kanäle, allein durch die unterschiedlichen digitalen Vertriebe, die einerseits ermöglichen, dass ein Tune von allen Kids in den USA gekauft werden kann, aber andererseits eben diesen Tune genau so gut durch das Aufmerksamkeitsgitter durchrasseln lassen können.

Diese neuen und verschärften Spielregeln der Musik-Marktwirtschaft sind bei den Musikern und Labels angekommen: Wenn ich will, dass mein Ding läuft, muss ich wirklich Qualität abliefern. Da hilft kein Cool-Getue (außer bei Kartel), es entschuldigt kein verkifftes „soon-come“ (außer bei Kartel) und auch kein faules Semi-Performen auf Live-Shows (nichtmal bei Mavado).

Mit diesen neuen Vorzeichen versehen, sind in der ersten Jahreshälfte 2012 auf einmal außergewöhnlich gute Produktionen auf Albumlänge erschienen. Allesamt Reggae-Musik: Tarrus Riley „Mecoustic“, I Octane „Crying To the Nation“, Romain Virgo „The System, Busy Sginal „Reggae Music Again“, Silly Walks Compilation „Storms Of Life“ und Mr Vegas „Sweet Jamaica“ sind alles große Werke mit Klassiker-Charakter. Dancehall-mäßig hat Kartel letztes Jahr abgeliefert, das hält noch ein wenig, Assasssin und Popcaan haben coole Mixtapes aber das Dancehall-Album diesen Jahres lässt noch auf sich warten – Sean Paul trotz seinem Mega-Comeback durch die Hintertür lassen wir mal außen vor.

Im Jahr 50 nach dem Independence-Startschuss Jamaikas besinnen sich die Fahnenträger der nationalen Identität auf die grundlegendsten Qualitäten ihrer Kultur – und vermischen sie mit den aktuellen Techniken, Trends und Themen – ganz getreu dem altbewährten Rezept von Reggae-Musik.

Die ewigen Nörgler sollten nun wohl erhalten haben, was sie immer wollten und können sich auch mal wieder auf den Dances blicken lassen. Die Kids haben mit Tayo Cruz-Remixen und „Party Shat“-ge-swagge genug neon-bunten Style für das hippe Profil-Pic. Alle haben die Hausaufgaben ordentlich gemacht und auch wenn der mega-Hype jetzt nicht stattfindet, genügend Unterfutter für ein selbstbewusstes „Reggae Tun Up!“ ist vorhanden.

 

text by The Meinung at Jugglerz.de

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